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Wenn der „Silvester Knaller“ nicht zündet…

BERLIN (dco)- Die Eilanträge stapeln sich auf dem Tisch. Man kann dadurch das Silvester Feuerwerk gar nicht sehen. Es muss wohl die „Ironie des Schicksals“ gewesen sein, dass gerade am letzten Tag eines denkwürdigen Jahres alles ruhig geblieben ist. Schließlich wäre es ein leichtes gewesen, den ursprünglichen Sinn von Silvester (statt böse Geister mit Feuerwerk vertreiben, das böse Coronavirus in den Wind schießen) umzudeuten.

Dennoch hat der öffentliche Rundfunk (ARD/ZDF) zum Finale 2020 für einen „Aufreger“ in den sozialen Medien gesorgt.

ZDF feiert Silvester am Brandenburger Tor im Pandemie Unterhaltungsmodus

Ein Aufreger, der bei genauerer Betrachtung eigentlich gar keiner ist. Vielmehr spürt man nur bei all den Kommentatoren auf Facebook & Co ganz deutlich, wie angespannt und müde die Leute vom Lockdown sind. Silvester am Brandenburger Tor ist normalerweise das Highlight zum Jahresabschluss. Bei einem der größten Silvester Open- Airs auf dem Globus feiert man den Jahreswechsel im Regierungsviertel mit Freunden aus aller Welt.

Nur in einer Pandemie eben nicht. Da verwandeln die Moderatoren Andrea Kiewel und Johannes B. Kerner das Brandenburger Tor zu einer Geisterkulisse. Jürgen Drews, Die Höhner, Marquess oder Alvaro Soler durften vor Ort rund 500 Polizeibeamte in der ersten Reihe unterhalten. Diese sicherten das Gelände rund um die Silvesterproduktion. Weiträumige Straßensperrungen und ein Versammlungsverbot mussten für den reibungslosen Ablauf der Show schließlich überwacht werden. Die Stimmung ist trotz des Aufwandes und unter den Bedingungen des Infektionsschutzes großartig: Die lautstarke Publikumsbeteiligung wird einfach vom Band eingespielt.

Punkt Mitternacht setzt das ZDF zum Höhepunkt des Jahres an und begrüßt „Mit Freude Schöner Götterfunken“ das neue Jahr. Aus allen Rohren wird geschossen. Es ist nicht das klassische Höhenfeuerwerk- das zuständige Bezirksamt hätte trotz aller Umstände ein solches genehmigt- aber zusammen mit den angestrahlten Brandenburger Tor und den optischen Täuschungen (Einblendung von Höhenfeuerwerk) könnte der Zuschauer fast den Eindruck gewinnen, dieses Silvester ist wie immer.

Jahreswechsel 2020-2021 -Feuerwerk -Silvester 2020 am Brandenburger Tor (Willkommen 2021) – YouTube

Der Abschuss: Jetzt sprechen die Kritiker

Natürlich ist das nur eine Illusion. Und die Kritiker lassen nicht eine Sekunde einen Zweifel daran, in welcher Situation wir leben: „Die feinen Damen und Herren halten sich wohl für was Besseres. Der gemeine Pöbel sitzt allein zuhause und darf diese Party finanzieren!“ In einer Pandemie eine solche Party zu feiern und 500 Polizisten an so ein Ereignis zu binden, hält ein anderer User für vereantwortungslos.

Eine Show in einem Studio wäre doch wohl der angemessenere Rahmen gewesen, anstatt eine ganze Zeltstadt für ein Produktionsteam zu errichten und diesen auch noch Sonderrechte (maskenfreie Zonen) zu geben. Der Tenor der Kritiker ist eindeutig: Alles zu dick aufgetragen, zu teuer und moralisch nicht vertretbar.

Das Ende ist nah: Bei ARD und ZDF

Das Geschrei war wieder einmal groß. Die Deutschen suchen gern das Haar in der Suppe. Aber im digitalen Zeitalter kann der lauteste Schreihals schon einmal den Eindruck vermitteln, die Kritik wäre der allgemeine Konsens in der Gesellschaft. Die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache. Laut der Einschaltquoten war die „Willkommen 2021“ Silvestershow vom ZDF eine der erfolgreichsten der letzten Jahre (3,58 Millionen) Zuschauer. Nur Jörg Pilawa konnte mit seiner Silvestershow mehr Zuschauer vor den Fernseher locken. (rund 4,7 Mio). Und das lag vermutlich eher nicht an der schrägen Gesangeinslage von Herrn Pilawa. Denn auch in Offenburg wurden hochkarätige Musikgäste (Voxxclub, Santiano, DJ Ötzi, Beatrice Egli uvm.) empfangen. Reichlich Angriffsfläche für potentielle Kritiker also. Wenn man dann noch bedenkt, wie das zugelassene Publikum ohne Mindestabstand tanzt und den Stars zujubelt, dann versteht man, dass die ARD ebenfalls nicht ohne einen Shitstorm auskam. Jörg Pilawa spricht von der intensivsten Silvestershow seiner Karriere. Aber nicht wegen so manchem verständnislosen Zuschauer (alle Beteiligten wurden selbstverständlich auf Corona getestet). Vielmehr schärft der Moderator den Blick auf eine Gruppe, die in der Coronakrise viel mehr Solidarität bekommen sollte: Die Künstler.

Es ist kein Geheimnis, dass die ARD Silvestershow schon seit Jahren eine Aufzeichnung ist und dass die Künstler in normalen Zeiten nach ihrem Auftritt in die Garderobe zurückgehen. Diesmal sind sie aber die ganze Zeit über in der Halle geblieben und waren einander das Publikum. Und so war es ein unheimlich intensives Privatkonzert mit enorm vielen Emotionen. Wenn wir das mit den Kameras gut eingefangen haben, hat diese Sendung eine ganz neue Qualität. Es war eine Intensität zwischen den Künstlern, die ich so noch nicht erlebt habe.

Silvestershows ohne Coverbands

Unsere regionale fränkische Coverszene war an diesen TV Silvestershows nicht beteiligt. Womöglich sind die Bands auch ganz froh darüber, nicht ins Kreuzfeuer von „Hatern“ zu geraten. Generell treten Coverbands an Silvester eher vereinzelt auf. Der Höhepunkt des Jahres ist meist nicht der Höhepunkt der Covermusiker im Kalender. Da lassen es die Künstler eher ruhig angehen.

Dennoch dürfte die Botschaft trotz Schnickschnack und vielleicht etwas übertriebenem Aufwand unmissverständlich sein. Den gebeutelten Musikern eine Bühne zu bieten und wenigstens den Versuch zu starten ein Stückchen Glanz in die Herausforderungen des Corona Alltags zu zaubern, verdient Respekt. Es ist nie zu früh oder zu spät, um sich auf ein leben nach Corona vorzubereiten.

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